Jan Feddersens Prognose für das Grand Final
Die Wettbüros, deren Prognosen über Oddchecker einsehbar sind, sind eindeutig: Einige Anbieter lassen nicht mal mehr Wetten auf Sergej Lazarev zu - sein Sieg wird so kristallklar erwartet wie zuletzt nur der von Loreen 2012 oder drei Jahre zuvor von Alexander Rybak. Gewänne der russische Beitrag, wäre das ungefähr so elektrisierend und überraschend wie die Nachricht, in der kommenden Saison wird wieder Bayern München deutscher Fußballmeister und in der Champions League wird ein Verein aus Madrid siegen.
Favoriten sind so oft gestrauchelt
Kurzum: Man muss daran erinnern, dass allzu perfekte Kandidaten beim ESC schwer gestrauchelt sind. Um ganz tief in die historischen Schubladen zu greifen: Niemand wäre 1968 auch nur auf die Idee gekommen, Cliff Richard könnte als irgendetwas anderes denn als Sieger aus der Londoner Royal Albert Hall nach Hause fahren. Wie man weiß: Er wurde Zweiter - und die glücklich ihn überholende war die Spanierin Massiel. Favoritenstürze gab es so viele: Nicht Ines aus Estland siegte 2000, sondern die Olsen Brothers. Nicht Carola siegte in München 1983, sondern die für Luxemburg singende Corinne Hermès. Und: Lena Meyer-Landrut zählte 2010 auch nicht zu den heißesten Siegeskandidatinnen in Oslo.
Kampf gegen Top-König Sergey
Ich würde sagen: Die ukrainische Sängerin Jamala bringt mit ihrem Lied "1944" einen solch intensiven Ton in das Finale, dass zumindest die Televoter sie lieber wählen als den perfekten Russen, der persönlich, nebenbei, sehr sympathisch ist. Schwedens Kandidat Frans wirkt auf der Bühne des Globen bei seiner Performance von "If I Were Sorry" - anders als bei der schwedischen Vorentscheidung - etwas müde und fahl. Zu den Favoriten zähle ich ihn dennoch.
Die Aufsteigerin in der Wertschätzung von Journalisten und Fans war und ist die Australierin Dami Im. Sie muss nun wirklich nicht tanzen, sie muss durch keine brennenden Reifen und auch nicht den Catwalk in die Hallenmitte entlang stöckeln. Sie räkelt sich singend auf einem Kubus - aber das macht sie mit einem solchen Glanz, dass sie ernsthaft als Konkurrentin des Favoriten gehandelt werden muss.
Die, die keiner auf der Rechnung hat
Und dann gibt es noch die sogenannten Dark Horses, wie im Englischen in der Pferderennszene gesagt wird. Ein Pferd sozusagen, dass niemand auf der Rechnung hat, aber im Moment des Rennens an allen vorbeiläuft. Das ist für mich der Israeli Hovi Star. Er ist der Kontrapunkt zu allen Bombasttanzstücken. Er entwickelt seine Ballade "Made of Stars" mit absolut stimmsicherer Leidenschaft, so das er der Glücklichste unter allen in der Nacht zum 15. Mai in Stockholm sein könnte.
Unbedingt beachten sollte man Georgien und Zypern, zwei härtere, rauere Stücke - aber man denke an Athen 2006, als Lordi allen anderen alles an Sieghoffnungen verdarben. Schließlich: Armeniens Iveta Mukuchyan, der Franzose Amir, der Holländer Douwe Bob und Poli aus Bulgarien können eine große Rolle spielen - sie sind ebenso Top-Ten-Kandidaten wie Zoë aus Österreich und Justs aus Lettland. Letztere übrigens, weil niemand eine solch positive Stimmung zu transportieren vermag.
Ginge es nach mir persönlich, wäre Francesca Michielin meine Siegerin. Sie weckt Erinnerungen an die große Kunst der italienische Tradition des hymnisch-eleganten Pop. Ihr Bühnenbild ist auf dezente Weise schön und gut, die Farben angenehm warm und freundlich. Und Jamie-Lee? Die Wetten sagen nichts Gutes. Aber sie hat zweimal Publikumskonkurrenzen gewonnen. Sie ist live stark. Alles ist offen - von Platz fünf bis nach ganz unten. Ich glaube an ein gutes Ergebnis, natürlich, weil das Lied einzunehmen vermag.
Meine persönliche Top Ten:
- 1. Italien
- 2. Israel
- 3. Schweden
- 4. Niederlande
- 5. Deutschland
- 6. Ukraine
- 7. Lettland
- 8. Russland
- 9. Spanien
- 10. Großbritannien
So könnte das Grand Final tatsächlich ausgehen
- 1. Ukraine
- 2. Russland
- 3. Bulgarien
- 4. Israel
- 5. Belgien
- 6. Italien
- 7. Frankreich
- 8. Deutschland
- 9. Armenien
- 10. Georgien